Raclette und Schweizer Psalm unter Palmen

Geschrieben von Markus Müller
1. August-Feierin Dar es Salaam

Am 28. Juli 1990 sass ich gemütlich im Garten beim Mittagessen und freute mich über die vermeintlich geschenkten freien Sommertage. Geschenkt deshalb weil ich Reserve ausschliesslich für den Peking Flug hatte, der Flug in einer Stunde starten sollte, die Piloten anderthalb Stunden vor dem Flug die Planung beginnen und damit ein Einsatz aus der Reserve unwahrscheinlich war. Das schrille läuten des PTT Monopoltelefons machte alle Familien Pläne für die Erstaugustfeier zunichte.

„In fünfzig Minuten sollte die DC10 nach Peking starten, kommen sie so rasch als möglich.“ Und ausgerechnet an diesem Tag waren meine Eltern auf einem Ausflug und ich hätte den Dechentreiter Tiefladewagen aufs Feld fahren müssen um Weizen dreschen zu lassen. Also noch rasch Aufträge erteilen, der Ehefrau zurufen für welche Temperatur und für wie lange sie packen solle und Verabschiedung von den enttäuschten Kindern denn es lagen zwei Wochen Kontaktlosigkeit vor uns im damals  Natel und Internet losen Zeitalter. Kapitän Hans Fuchs aus Neuhausen und der Flightengineer hatten die Planung gemacht, das Flugzeug betanken lassen, den Navigationscomputer abgespitzt, alle Checklisten abgearbeitet  und wir konnten nach einem kurzen Briefing die drei Motoren starten und den ersten Teil des Flugs nach Karachi in Angriff nehmen. Mit wenig Verspätung notabene. Als Überraschung traf ich in der Kabinen Crew Cousine Sandra Kaninke was wir zu einen Ausflug auf die chinesische Mauer nutzten. Erst beim konsultieren des Flugbuchs für diese Kolumne habe ich übrigens realisiert, dass wir die DC10 HB-IHH mit dem Schaffhauser Wappen flogen. Am 31. landeten wir in Peking und erlebten eine wunderschöne Erstaugustfeiere bei Botschafter Schurtenberger, einer faszinierenden Kapazität in chinesischer Kultur und Diplomatie. Zuvor besorgten wir drei aus dem Cockpit uns noch mit dem Velo in der Seidenstrasse Krawatten um die Schweiz auch würdig zu vertreten. Würste und Käse sowie das Band mit der Ansprache des Bundespräsidenten hatten wir als Diplomatengepäck mitgebracht.

Ein Viertel Jahrhundert später

Die diesjährige Erstaugustfeier im Ausland  war besser geplant. Frühzeitig hatte ich die Einladung von Botschafter Olivier Chave zur Erstaugustfeier in Dar es Salaam (Tanzania) bekommen. „The Ambassador of Switzerland requests the pleasure of the company of Captain Markus Mueller and the Swiss Crew LX292 for a reception».  Mit geschwellter Brust ob so viel Ehre fand ich mich mit meiner Besatzung im streng bewachten Garten der Botschafter Residenz ein. Bei der Eingangskontrolle konnte man sich mit zehntausend Schilling für das Erstaugustabzeichen patriotisch richtig positionieren. Sympathisch begrüsste Botschafter Chave zusammen mit dem Botschaftspersonal die eintreffenden Gäste. Und es waren viele. Befreundete Botschafter aus der ganzen Welt, Mitglieder der etwa vierhundert köpfigen Schweizer Kolonie in Tanzania, Wirtschaftsleute, land- und forstwirtschaftliche Berater aus der Schweiz, Angehörige des Franziskaner Ordens und wir von Swiss(air). Obwohl erst zwei Tage weg von zu Hause, genossen wir die servierten Schweizer Spezialitäten und, wie könnte es anders sein nach dem parlamentarischen Vorstoss in Bern von Kollege Hurter, Schweizer Wein. Fast andächtig lauschte die Festgemeinde der Erstaugustrede des Botschafters und anschliessend ab Band den englischen Worten von Bundespräsident Ueli Maurer. Beide gingen auf die spezielle Bedeutung und Tradition von Schweizern im Ausland ein und liessen unser Land so erscheinen wie es eben im Ausland weitgehend wahrgenommen wird, nämlich vorbildlich und nachahmenswert. Mit Inbrunst spielte die lokale Band unsere Nationalhymne, sehr exotisch aber nicht minder feierlich. Der erleichterte Wechsel der Musiker in ihr angestammtes Gebiet war auch gleich die Eröffnung vom Buffet mit Raclette und grilliertem Cervelat. Raclette bei dreiunddreissig Grad mit den richtigen Zutaten unter mit roten Lampions und Flaggen geschmückten Palmen schmeckt übrigens vorzüglich. Da spielte es denn auch keine Rolle, dass die geschwellten Kartoffeln nicht ganz lind waren. Die Überreichung eines Schaffhauser Bock Gulden aus dem Repräsentationsschatz der Schaffhauser Staatskanzlei verlieh unserem Besuch gar noch offiziellen Charakter und zusammen mit der Schaffhauser Maître de Cabin Silvia Deggeler und Flight Attendant Iris Keller repräsentierten wir den Kanton würdig. Mindestens blieben wir bis weit nach Mitternacht, meine Frau würde sagen ich sei natürlich wieder der letzte gewesen, und lernten Land und Leute kennen und dazu einiges über die wichtige Berater- und Helferrolle der Schweiz im Ausland. Eine Schwester des Franziskaner Ordens meinte etwas wehmütig, nach vierundvierzig Jahren Afrika habe sie, nachdem ihr letzter Bruder im Toggenburg verstorben sei, keine Bindung mehr in die alte Heimat. Hier werde sie zudem immer noch gebraucht. In einer adhoc Kafiprob führte uns ein ausgewanderter Leiter einer Kaffeeplantage in die Geheimnisse des einzig richtigen Kaffees ein, mit einer Schweizer Kaffee Maschine natürlich. Dafür muss ich bei der Schafuuser Wiiprob passen weil ich bereits wieder eine A340 nach Sao Paulo fliege. Ich werde dafür heute Abend in der brasilianischen Metropole mit alt Kantonsrat Preisig anstossen und das Schaffhauser Tourismusgesetz aus etwas Distanz diskutieren.

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