Zweimal Grounding überstanden

Geschrieben von Markus Müller
Voodoo in Lomé

Das Swissair Grounding vor zehn Jahren war sehr emotional und materiell nachhaltig spürbar, aber fliegerisch beschränkte es sich auf wenige Tage. Fast zehn Jahre später war mein zweites Grounding im wahrsten Sinne des Wortes mit einer dreimonatiger Fluguntauglichkeit verbunden und weit schmerzlicher verlaufen mit einem mehrfachen Sprunggelenkbruch. Beide male ging, offenbar ein schlechtes Omen, ein Firmenjubiläum voraus.

Zwanzig Jahre wurden mit Aktien honoriert die das Papier nicht mehr Wert waren, ausser für die Schaffhauser Steuerbehörden. Das Dreissigjährige war eine deutliche Wertsteigerung mit einem Apero. Aber natürlich nicht an einem geschenkten Freitag sondern nach einem Langstreckenflug Flug von Dubai. Verständlich, dass ich sämtliche Kollegen aus der Fliegerschule vermisste und mich auch meine beiden Schaffhauser Kollegen im Stich liessen. Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, meine Jubiläen als GF Mitarbeiter feiern zu können. Der ehemalige GF Chef H.G., so hört man mindestens, hat in Schaffhausen eine weit attraktivere Jubiläumskultur eingeführt als dann später in Kloten als Swissair Chef. Das Bonmot das kursierte, er habe GF in die Luft und Swissair auf den Boden gebracht, hat aber wohl nicht den Umgang mit Jubilaren gemeint. Zur Ehrrettung muss man anfügen, dass es zum fünfundzwanzigsten einen Freiflug gab, allerdings ohne Familie. Das Dumme war nur, dass es wegen Pilotenknappheit keine Ferien gab und der Flugschein den Weg der Aktien gingl. Aber was soll's, Hauptsache ich fliege wieder, Jubiläum hin oder her. Am Dreikönigstag gings los Richtung Kenya. Ein gutes hat es auf jeden Fall. Ich kann jetzt in der nächsten Spitaldebatte im Kantonsrat auch mitreden. Der Afrika Flug war ein guter Beginn, führte mich doch mein erster Langstreckenflug überhaupt in diesen Kontinent, nach Togo. Das erinnert mich an die erfolgreiche Weihnachtssammlung von Radio Munot, gab mir doch damals Charles Adjetey vom Verein Togo-Assist Verhaltensregeln mit. Es hat mich denn auch speziell gefreut als Kantonsratspräsident Charles und Rolf Hauser den Schaffhauser Entwicklungspreis überreichen zu dürfen. Eigentlicher Entwicklungshilfe Pionier in Togo war übrigens der Guntmadinger Bauer Paul Neukomm. Während vielen Jahren reiste er in den Wintermonaten nach Lome und beriet dort einheimische Bauern, erwarb Saatgut und legte Hand an. Mit seinen Landkarten ausgerüstet ging ich während den wöchigen Aufenthalten auf Entdeckungstour. Die DC9-34 war eigentlich nicht für diese Strecken gedacht. Auf dem Wüstenflugplatz Gardaia mussten wir zwischenlanden um nochmals nachzutanken. Zum überfliegen der Wüste wurde extra temporär ein Inertialnavigationssystem installiert. Nur hatte es die Eigenheit, dass wegen der Speicherkapazität nur neun Navigationspunkte eingegeben werden konnten. "Herr J. ich möchte sie darauf aufmerksam machen, dass das Flugzeug im Begriff ist umzukehren", machte ich den Chef auf die plötzliche Schieflage des Flugzeugs das sich anschickte an Punkt eins zurück zu fliegen, aufmerksam. Man war damals meist per sie bis zum ersten Bier. Luftwaffen Oberste und Funktionären blieben sogar  bei der formellen Überlegenheit, mindestens bis auch sie merkten, dass ein komplexes Flugzeug nicht im Einmannbetrieb operiert werden kann. Auch der Kaptän und Präsident einer Zürcher Gemeinde wurde richtig kollegial nachdem ich ihm am Check aus der Patsche geholfen hatte. Dass der Schaffhauser GF Vorsitzende, als Artilleriechef eines grossen Verbandes breite rote Streifen an der Hose tragen durfte und er als Fliegerchef keine blauen, hielt ere mir trotzdem vor. Fliegerisch war die Afrika Operation damals eine echte Herausforderung. Wobei die Erreichbarkeit von Khartum auch heute noch Zufall ist und Adis Abeba immer noch tönt als würde er im Keller sitzen. Nach der Landung wurde es exotisch. Leute und Fahrzeuge querten die Piste. Die offene Ankunftshalle war mit Stoffballen, Früchten, Hühnern und Passagieren gefüllt und sorgte für uns ganz neue Gerüche. Der Bus schwankte auf der löchrigen Naturpiste mit dem durch das auf dem Dach festgezurrte Gepäck erhöhtem Schwerpunkt bedenklich. Chez “Alice et Koffi” war unsere Stammbeiz. Auf die Frage nach Angst vor Diebstahl aus den offenen Gebäuden zeigte die Schweizer Aussteigerin auf diverse aufgehängte Utensilien und verwies auf  bei den Eingängen vergrabene Hundeköpfe. Die Nennung von Voodoo liess die anwesenden Einheimischen erstarren und die Mission Beeinflussten bekreuzigten sich. Auf dem Fetisch Markt ließen wir uns in die Geheimnisse dieses tief verwurzelten Kults der bis nach Brasilien reicht einweihen. Den Geruch  bei vierzig Grad aufgetischten Zutaten habe ich heute noch in der Nase. Hundeköpfe reihten sich an getrocknete Schlangen, Frösche und Ratten dazu Knochen und Hörner aller Art. Die Kochtöpfe der Medizinmänner dampften. Aber Glauben versetzt bekanntlich Berge. Alice blieb vor Diebstahl verschont und bei mir fliegt seither ein Voodoo Fetisch mit. Am Abend verfolgten uns andere Figuren. Auf dem dunklen Weg in die Bungalows machten zweibeinige Gazellen Jagd auf uns Piloten und lärmende Frösche lauerten auf den Wegen. Malariamücken hofften wir mit Antibrumm fernzuhalten. Das ist heute immer noch genau so. Man arrangiert sich mit diesen Plaggeistern und sie machen mit der farbigen Natürlichkeit, der Hitze und der Fröhlichkeit der Leute die Faszination Afrikas und der Langstreckenfliegerei aus. Rau und Merk sei Dank kann ich daran wieder teilnehmen. Vielleicht hat ja auch der Fetisch etwas geholfen und ich sollte einen für unsere Regierung zusammenstellen lassen fürs Himmelfahrtskommando Restrukturierungsauftrag und Sparprogramm.

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